Wien-Debüt ORTRUD

9.Januar 2020

Wien

Eindlich auch in Wien: Linda Watson interpretiert ORTRUD in Wagners "Lohengrin"

 

 

Auf verschiedenen Bühnen der Welt begeisterte Linda Watson bereits als spielfreudige und sangesstarke Ortrud.

Unter dem Dirigat Valery Gergievs erlebt nun auch das Publikum ihrer Wahlheimat Wien Watsons einzigartige Interpretation dieser Figur.

 

 

Egils Silins (Telramund), Linda Watson (Ortrud)

 

 

 

 

Die Presse schreibt:

 

"Die Ortrud wurde von Linda Watson mit grosser Stimme gesungen, ..., gelangen sowohl die „Entweihten Götter“ als auch der Schluss sehr eindrucksvoll."

(Heinrich Schramm-Schliessl, 10.01.2020 in Der Neue Merker)

 

 

 

 

 "Linda Watson ist ihr (Elsa der Cornelia Beskow) als Ortrud eine hervorragende Gegnerin, die ihre vokale Kraft gekonnt einsetzt, ihr Gift aber auch suggestiv mit wohldosierter Milde träufeln lässt."

(Wiener Zeitung, 10.01.2020)

 

 

 

 

 "Viel lernen in puncto Wagner kann Cornelia Beskow von der bewährten Linda Watson, die spätestens seit ihrem Bayreuther Kundry-Debüt 1998 zur ersten Garde der Wagner-Heroinen zählt und insbesondere als Brünhilde weltweit in Erscheinung getreten ist. Diesmal, bei ihrem Rollendebüt als Ortrud, bewegt sich die dramatische Sopranistin allerdings in stimmlich tieferen Regionen. Für diese Partie werden – nicht ohne Grund – oft auch Mezzo-Soprane eingesetzt. Watson singt intensiv, geht an ihre stimmlichen Grenzen und liefert das imponierende Porträt einer verletzten, nach Rache dürstenden Zauberin und Verführerin, die der alten heidnischen Weltordnung und ihren Göttern nachtrauert und diese wieder errichten will. Ihre Beziehung zu ihrem Mann Telramund ähnelt anfangs der zwischen Macbeth und Lady Macbeth, doch anders als bei Shakespeare gelingt es Telramund nicht, sich von seiner bestimmenden Frau zu emanzipieren."

(Manfred A. Schmid, online-merker)

 

 

 

 

 

Besetzung:

 

Dennis Russell Davies, Dirigent

Boleslaw Barlog, Regie

Jürgen Rose, Ausstattung

 

Linda Watson, Ortrud

Piotr Beczala / Klaus Florian Vogt, Lohengrin

Cornelia Beskow, Elsa

Egils Silins, Friedrich von Telramund

Ain Anger, König Heinrich

Boaz Daniel, Heerrufer

 

 

 Zwei Tage vor der Premiere gab Linda Watson dem Dramaturgen der Wiener Staatsoper, Oliver Láng, ein Interview. Nachfolgend die Passagen, die sich auf ihre Rolle der Ortrud beziehen:

 

Der Blick in Ortruds Seele

Wie sieht es mit Ortrud aus? Entwickeln Sie im Laufe der Beschäftigung Sympathien, oder zumindest Verständnis?

Linda Watson: Verstehen! Das ist ein guter Punkt! Man muss lernen, Ortrud zu verstehen! Meine erste Lohengrin-Produktion erlebte ich in Bayreuth, Regisseur war Keith Warner, ich sang in dieser Inszenierung fünf Jahre lang. Warner, ein genialer Regisseur, hat mir eröffnet, dass Ortrud kein einseitiger Charakter ist, sie ist nicht einfach „böse“. Man darf sie daher nicht so geradlinig spielen. Sie zeigt ihre wahren Gefühle nicht direkt, sondern immer nur hinter dem Rücken von Elsa. Das Publikum sieht das und kann quasi in das Seelenleben von Ortrud hineinschauen. Da erblickt man plötzlich das Verletzliche, eine ungeliebte Kindheit, eine ungeliebte Frau. Wenn man in diesen Charakter hineingräbt, dann blüht er auf. Dann wird Ortrud eine vollständige Person, nicht nur die dunkle Gegenspielerin von Elsa.

Jedenfalls aber ist sie die dunkle, manipulative Gegenspielerin von Lohengrin.

Linda Watson: Das schon, aber warum ist sie, wie sie ist? Weil sie möchte, dass ihr Clan weiter an der Macht bleibt. Dafür kämpft sie. Für ihre Götter. Für ihre Religion. Wir alle wissen wie es ist, wenn eine Überzeugung ganz tief in uns steckt, womöglich von den Eltern übernommen. Wir möchten sie verteidigen. Für Ortrud ändert sich plötzlich alles, sie bleibt in ihrer Existenz alleine. Und dagegen kämpft sie an. 

Immerhin hat sie noch ihren Mann.

Linda Watson: Der auch alles verloren hat. Ich finde das Verhältnis zwischen diesen beiden besonders spannend. Es scheint so etwas Animalisches zwischen ihnen zu geben, ein enorm starker, sexueller Trieb. Etwas, was die beiden zusammenhält. Eine Anziehung, die ihn immer wieder zurückbringt. Sie genießt das – und er auch. Ortrud mag böse sein, aber sie ist auch eine Frau, ein Mensch – und das will ich zeigen. All diese Bruchstücke des Charakters muss man als Ortrud-Darstellerin an die Oberfläche bringen, nicht nur die keifende, böse Hexe mit der gro.en Stimme spielen. Es geht mir also darum, sie in ihrer Tiefe zu verstehen. Mögen muss ich sie nicht. Mir ist nur wichtig, dass sie mehr als eine Dimension hat.

Gibt es auch so etwas wie eine persönliche Ortrud-Sicht, unabhängig von allen Regisseuren?

Linda Watson: Ja, die gibt es. Meine Ortrud, gewissermaßen. Eine Sicht auf die Person, die mir immer bleibt und immer differenzierter und genauer und detailreicher wird, mit jeder Produktion, jeder Vorstellung. Ob ich eine Inszenierung mag oder nicht – ich gewinne immer etwas und kann immer das Profil der Figur nachschärfen. Es gehen mit jeder Auseinandersetzung neue Fenster auf, manchmal kleine, manchmal große. Der Charakter wird so immer reichhaltiger. 

Viele Ihrer Kolleginnen schwärmen davon, dass sie von ihren Rollen etwas ins Leben mitnehmen. Eine Weisheit, eine Einsicht. Das geht bei der Marschallin natürlich gut und leicht. Aber bei der Ortrud?

Linda Watson: Also ich nehme nichts in mein Leben mit. Nicht von der Ortrud, nicht von allen anderen. Bei mir ist es genau umgekehrt, ich schenke der Bühnenfigur etwas von mir. Das macht gutes Theater ja aus, dass man etwas einbringt und eine Fantasiefigur mit Leben erfüllt. Die großartigen Hofmannsthal-Texte, sie bieten so viel an, wenn man das auch noch mit seiner persönlichen Erfahrung mischt, dann erwachen die Charaktere zum Leben. 

Wenn die persönliche Erfahrung ins Spiel kommt, dann bedeutet das aber auch, dass sich die Charaktere zwangsläufig verändern.

Linda Watson: Natürlich, mit zunehmender Reife wird das, was man einer Figur schenkt, immer mehr, immer dichter. Man darf diese Entwicklungen nicht unterschätzen: Als ich meine erste Marschallin gab, vor 20 Jahren, da war mein Verständnis der Figur ein anderes als heute. Nun begreife ich sie viel tiefer. Als ich sie hier sang, war das für mich so bewegend, so berührend! Es war so ein WOW-Moment.

Ist ein solcher WOW-Moment eher beflügelnd oder vielleicht sogar irritierend, weil Sie ja doch kontrolliert bleiben müssen?

Linda Watson: Die Emotionen waren für das Spiel gut, aber im Gesang muss man immer eine Distanz bewahren. Ich muss meine Stimme vor einem „Zuviel“ schützen. Das gilt aber ganz grundsätzlich für alle Partien und Auftritte. Man muss da gut aufpassen.